Beschädigte Stadtmauer in Oberriexingen durch beherzten Einsatz des Katastrophenschutzes vor Einsturz gerettet.
Bild: THW Widdern (Jagst) / Oberst
OBERRIEXINGEN / ENZ – Am Morgen den 08. Januar stand Bürgermeister Frank Wittendorfer vor einem echten Problem: Bauarbeiter, die an die Stadtmauer angrenzende Häuser abreißen sollten, rissen einen vor der Stadtmauer gelegenen Gewölbekeller ein, sodass dieser einstürzte. Normalerweise bestünde keine Gefahr – aber in diesem Fall stand ein Teil der historischen und unter Denkmalschutz stehenden Stadtmauer auf dem Keller. Nur wenige Minuten nach dem Kellereinsturz, bricht der Mauerfuß in sich zusammen und stürzt in die Tiefe.
Die Mauer zeigt bedenkliche Risse. Und noch schlimmer: Auf der Rückseite ist eine Schmiede an die Mauer herangebaut. Ihr Dach liegt auf der Mauer auf. Der Bürgermeister weiß jetzt: Wir brauchen Hilfe.
Gemeinsam mit seinen Fachleuten berät er das Vorgehen. Auch den Gemeinderat beteiligt er sofort so gut es geht. Die Entscheidung fällt: Für Handwerker ist die Abstützung der Wand zu gefährlich, denn die Mauer droht jede Sekunde einzustürzen. Die Freiwillige Feuerwehr verfügt nicht über das richtige Equipment für so einen spezialisierten Einsatz. Der Bürgermeister entscheidet richtig und fordert eine Spezialeinheit des Technischen Hilfswerkes (THW) aus Widdern, für Trümmerabstützungen an. Diese holen sich Spezialeinheiten aus Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen und Kirchheim unter Teck zur Unterstützung dazu.
Das Technische Hilfswerk (THW) ist eine Bundesanstalt und ist Teil des Katastrophenschutzes der Länder. In der Regel kommt das Technische Hilfswerk zum Einsatz um Personen- und / oder Sachschaden in Großschadenslagen einzudämmen und Katastrophenhilfe zu leisten.
Die Situation ist kritisch. Nicht mal die Spezialisten des THW trauen sich ohne weiteres an die Mauer heran – aber das hat System: „Die Mauer kann jeden Augenblick einstürzen und dann liegen am Ende unsere Einsatzkräfte unter den rund 50 Tonnen Steinen – das ist zu gefährlich“, so der Zugführer und Einsatzleiter. Ein Einsatzstellen-Sicherungssystem muss her. Zusammen mit der Freiwilligen Feuerwehr Vaihingen an der Enz kann ein optisches Überwachungssystem an der Mauer angebracht werden, um mögliche Bewegungen des fragilen Mauerkörpers sofort erkennen zu können und Alarm zu geben. Nur ’schwebend‘, mit der Drehleiter der Feuerwehr, wagen sich die Helfer an die Mauer – ganz vorsichtig platzieren sie die Gerätschaften.
Dann beginnt der mühevolle Aufbau der hölzernen Abstützung. Den ganzen Abend, die ganze Nacht hindurch und den nächsten Tag arbeiten die Helfer mit rund 45 Mann – und das ’nur‘ um ein stück ruinöse Mauer vor dem Einsturz zu bewahren. Wirklich? Ja – denn es ist nicht nur ein Stück Mauer. Es ist die alte Stadtmauer des Städtchens, die jahrhundertelang die Bürger Oberriexingens schützte. Und die Bürger wissen um den Dienst, den das alte Gemäuer ihren Vorfahren geleistet hat. „Das ist doch unsere Stadtmauer! Die muss erhalten bleiben! Das ist ein Teil von Oberriexingen“ sagt ein Passant, der das Treiben beobachtet. „Wir brauchen unsere Stadtmauer, wie die Kirche. Ohne solche Bauwerke, wäre unser Ort nicht einzigartig.“ fügt ein anderer an.
Am Nachmittag des 09. Januar sind die Helfer mit dem Aufbau und der sicheren Abstützung fertig und rücken erschöpft ab. Alle, die von näher und ferner an die Unglücksstelle geeilt sind, ‚bloß‘ um eine Kulturdenkmal zu retten, sind ehrenamtliche Helfer – Haben Familie und einen Beruf, den sie für diesen Einsatz alleine glassen haben, weil sie ihre Aufgabe kennen: Schwierige Situationen meistern – weil sie es können.
Dieser Einsatz für ein Denkmal verdient unserer Meinung nach die Würdigung der Fachwelt. Vielen Dank an alle, die die alte Stadtmauer für wert erachtet haben, sie zu schützen und sie zu halten. Dieses Beispiel zeigt, dass der Erhalt von ortsbildprägenden Kulturdenkmalen den Menschen am Herzen liegt und dass die Arbeit der Denkmalpflege wert genug ist, sie in kritischen Lagen auch durch alle öffentlichen und ehrenamtlichen Organe von Bund und Ländern zu schützen. (Text: BfhB)
Bild: THW Widdern (Jagst) / Oberst
Die Helfer stützen den fragilen Einsturzbereich mit Gewindesprießen um keine Schläge durch Hämmern in die Konstruktion zu bringen zu müssen.
Bild: THW Widdern (Jagst) / Oberst
Die ganze Nacht arbeiten rund 45 Mann im Schichtbetrieb. Jede Stunde zählt. Den Gewölbekeller mussten die Helfer mit Beton verfüllen, damit sie eine Grundlage für die Abstützung anstelle der Kellergrube haben.