Als Bauforscher sind Sie an vorderster Forschungsfront der Baugeschichte beheimatet. Nicht nur das heimeliche Büro oder das mit Akten überfüllte Archiv gehört zu Ihren Lieblingsorten, sondern viel eher der Altbau oder die Baustelle im Bestand. Denn die eigentliche Forschung findet bei uns hauptsächlich ‚am lebenden Patienten‘ statt – direkt am Bauwerk.
Das Annähern an ein altes Gebäude oder Kulturdenkmal bedarf einer sinnvollen und durchdachten Struktur und Methode, um einerseits Erkenntnisse verstehen zu können und andererseits nicht ausversehen bauhistorische Spuren unwiederbringlich zu zerstören. Die Erforschung der Haus- und Baugeschichte beginnt mit einer einfachen Begehung, bei der Sie mit geschultem Blick bereits die Punkte herausfinden können, die Sie in der Folge näher untersuchen möchten. Danach folgt das zentimetergenaue Vermessen, Fotografieren und Dokumentieren des Ausgangszustandes in Bild und Schrift. Das Verfassen aussagekräftiger Beschreibungen verlangt vom Autor ein umfangreiches Vokabular an Fachbegriffen und einen sachlichen Schreibstil. Einheitliche Standards sind Pflicht bei der Beschreibung eines Gebäudes, das man sich hinterher nur anhand des Berichtes im Detail vorstellen können muss. Erkennen Sie Schäden und kleine Kostbarkeiten. Endecken Sie Entwicklungspotentiale und bislang unerkannte Schätze.
Mit den ersten Befund-Öffnungen gehen Sie in die Substanz und öffnen an bestimmten Stellen mit kleinen Öffnungen die Wände, um unter die Tapeten schauen zu können. Was findet sich? Wandgemälde? Farbfassungen? Alte Zeitungen als Tapetenunterlage? Von wann sind diese? Und was steht darin? Oder doch nur zentimeterdicker Putz? – Schweineborsten zur Putzarmierung? Wo gibt’s denn sowas?
Datieren Sie Gebäude mit wissenschaftlich anerkannten Methoden und finden Sie heraus, worüber viele Jahre in der Nachbarschaft gerätselt wurde: „Wie alt ist denn das Haus genau?“
Bei der anschließenden Sanierung spielen Sie eine wichtige Rolle. Nicht nur, dass Ihre Unterlagen die Grundlage der Planung und des Sanierungs- und Nutzungskonzeptes sind, Sie sind ständig vor Ort und Ergänzen Ihre Erkenntnisse, wenn die Bauarbeiter eine neue Wand oder Decke öffnen, weil Bauteile repariert werden müssen. Diese einzigartigen Chancen, in die Eingeweihte des Gebäudes sehen zu können, lassen Sie sich natürlich nicht entgehen. Sie sind Ansprechpartner für Planer und Bauleiter, wenn es um die Frage geht „ist das Kunst, oder kann das weg?“.
Am Ende Ihrer Arbeit steht ein umfangreiches Dokumentationswerk der Ausgangslage und der vorgenommenen Umbauten und Arbeiten und ein schmuckes neues altes Haus, das für die Zukunft gewappnet ist.
Bauforschung und Baugeschichte wird von mehreren deutschen Hochschulen als Bachelor- und Master-Studiengang angeboten und bietet eine profunde Grundlage für den Berufsalltag als Bauforscher. In einer ständigen Vernetzung mit den Aufgaben der Denkmalpflege stehen Sie im Focus einer Forschung, die sich in erster Linie mit der Frage beschäftigt, woher unsere Identität kommt und warum wir heute so leben, wie wir leben. Nur wer weiß, was er hat, kann wissen was er zukünftig will.